Samstag, 31. August 2013

Dänen lügen nicht

oder: Größtes anzunehmendes Missgeschick




Urlaubszeit hat von der Fischer-Starkschen Sippschaft Besitz ergriffen. Mit Kind und ohne Kegel, dafür aber mit Tandem und Lieblings-Schwiegereltern im Gepäck ging es gen Norden um kurz vor Aalborg eine wahrscheinlich von den Wikingern erbaute Hütte in Beschlag zu nehmen.

Aber das hier soll keine Rückseite einer Postkarte werden, sondern viel mehr die Geschichte des wahrscheinlich größten Missgeschickes meiner „Laufbahn“.



Alles begann an einem Samstag: Zurück von einem längeren Läufchen über etwa 32 km (mit knapp über 40 Höhenmetern...), fand mein Lieblings-Schwiegerpapa zufällig in einer Lokalzeitung (trotz der Abwesenheit eines dänischen Wörterbuches, von dessen Anschaffung mir meine Lieblingsehefrau abgeraten hat, da hier angeblich eh alle Englisch sprechen) heraus, dass am morgigen Tag ein Halbmarathon im nicht weit entfernten Hobro am Ende des Mariagerfjords stattfindet. Nach (sehr) kurzer Überlegung fassten wir den Entschluss, uns das mal anzuschauen, schließlich wollte der gute Andreas bei der sächsischen Beamtenmeisterschaft in die Titelvergabe eingreifen. Der einzige verfügbare Internetzugang der Tourist-Info entschärfte die höchst lückenhafte Informationslage kaum (gelobt sei die Gründlichkeit deutscher Ausschreibungen), aber immerhin waren uns nun Adresse und Zeit bekannt. Also auf nach Hobro.

Sonntag, angekommen an besagter Adresse finden wir uns in einer sonntäglich verlassenen Fußgängerzone wieder. Hinter der angegebenen Adresse verbirgt sich ein Gardinenladen... Dahinter glücklicherweise ein Hinterhof samt Startbogen. Aha, hier ist also doch was! Schnell noch die Anmeldung ausgefüllt, alles wie zu Hause. Kurz vor dem Start um 10 Uhr gab es dann noch durch den sehr netten Organisator eine Einweisung, die wohl auch sehr lustig gewesen zu sein scheint, denn die Dänen haben viel gelacht. Und Dänen lügen ja nicht. Ich jedenfalls hatte ja kein Wörterbuch dabei (danke, Schatzi!) und blieb so im Informationsloch hängen. Ich malte mir also aus, was der Kerl wohl so Lustiges gesagt haben könnte? „Und wenn ihr dort nicht rechtzeitig abbiegt, landet ihr auf der Autobahn.“, „Nehmt euch bitte vor wilden Tieren in acht.“ oder „Aufgrund der grobkörnigen Schotterpassagen mit spitzen Steinen empfehlen wir Schuhe mit recht fester Sohle.“?

Eine kurze Nachfrage beseitigte dann auch prinzipiell alle Unklarheiten: Wir liefen auf einer 7-km-Runde, blaue Pfeile, Start ist in wenigen Minuten, schon klar, vielen Dank! Also mogelten wir uns schnell ins Starterfeld und mit dem Startschuss setzte sich das Feld auch gemächlich in Bewegung. Ich hielt mich erst mal im Feld auf, da ich nicht den leisesten Schimmer hatte, wie der Streckenverlauf aussehen würde. Die Runde führte zu Beginn mit einem Anstieg aus Hobro heraus. Auf diesen, und auf das gemächliche Temperament der Dänen – das sich auch gerne mal auf der Landstraße zeigt – schob ich den verhaltenen Beginn. Aber gut, wie oft habe ich mich schon über zu schnelle Starter amüsiert?

Nachdem der Kollege, mit dem ich nun lief, sein mp3-Player-Gedöns auch sortiert hatte, trat er bergan richtig auf die Tube und ich folgte unauffällig. Zusammen absolvierten wir den größten Teil der ersten Runde, die landschaftlich wirklich abwechslungsreich war und dank Fjord einige Anstiege zu bieten hatte. Ich vermutete, dass mir das entgegen kommt, da der Rest des Himmerlands doch eher topfeben ist. Auf einem sehr welligen und schmalen Radweg kurz vorm Rundenende habe ich den mittlerweile schwer schnaufenden Kollegen wohl verloren und anschließend nie mehr wiedergesehen...

Die nächsten zwei Runden lief ich dann also alleine und wurde dabei sanft schneller, immer mit dem langen Lauf vom Vortag im Hintergedanken. Ab und zu musste ich an Kreuzungen Autos passieren lassen oder Hundeführer verscheuchen, aber ich hatte ja genügend Vorsprung für solche Späßchen. Auch ein Fasan zeigte sich an meiner Lauferei sehr interessiert und spatzierte munter auf mich zu. Nach Runde zwei kam ich durch die letzte enge Kurve vor Start-Ziel und wäre fast in ein weiteres Starterfeld gerannt, dass wenige Minuten später, also eine Stunde nach uns, starten sollte. Ich vermutete, dass es sich hierbei um den Family-Run handelte und schummelte mich über die Bühne vorbei und direkt vor der Startlinie wieder auf die Strecke, um die Zeitmessmatte mitzunehmen.

Auf halber Strecke von Runde drei erkannte ich dann das Führungsrad hinter mir. Komisch, der Family Run sollte doch woanders langgehen? Ich dachte jedoch nicht weiter darüber nach und sah zu, dass ich trotz Gegenwind zügig ins Ziel komme.

Dort angekommen gab es zuerst viel Applaus, aber meine Lieblingsfamilie blieb einfach auf ihrer sonnigen Bank sitzen. Sonst freuen sie sich doch mit? Hmm, irgendwas ist faul im Staate Dänemark!

Ich spatzierte mit der vom Verpflegungsstand gemopsten Schoki zu meinem Elli und bekomme nur ein „Es geht das Gerücht um, dass ihr den Marathon lauft.“ zu hören. Ich wusste nicht so recht, was ich dazu sagen sollte und bin zurück zum Verpflegungsstand, um das dort nochmal nachzufragen. Tatsächlich zeichnete sich das Bild eines schwerwiegenden Fehlers meinerseits ab. Ich überspielte meinen inneren Zwiespalt, indem in noch einen Becherinhalt trank. Was machst du nun, Fischi? Ich meine, es war ja eine gute Einheit bis jetzt und es würde sicherlich nie jemand mitbekommen, dass du hier so einen Blödsinn verzapft hast und als Führender ausgestiegen bist. Andererseits hatte ich mich nicht völlig verausgabt, sodass ich ein Finish für realistisch hielt. Dann war der Becher langsam leer und eine Entscheidung musste her...

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Ich winkte der Liebsten zum Abschied nochmal zu und erkaufte mir somit weitere 7 km Bedenkzeit. Den ersten verbrachte ich erstmal mit Fluchen, anschließend wurde mir Einiges klar: Der Start um 10 Uhr war der Marathon, der HM startete erst um 11 Uhr. Das hat der Kerl auch gesagt, aber da war ich schon auf halben Weg zur Startlinie. Das erklärt auch das Läuferfeld hinter mir, an dem ich mich beim letzten Rundendurchlauf vorbei gemogelt habe. Alle Klarheiten diesbezüglich also beseitigt, jetzt solltest du dich aber mal um die Auswirkungen und nicht um die Gründe kümmern! Den Rest kannst du ja dann auf das fehlende Wörterbuch schieben...

Ich versuchte also, ein angenehmes Tempo zu finden und fing endlich mit Trinken an. Ich vermutete, dass ich relativ viel Vorsprung hatte, aber sicher war ich mir nicht. Zwar riefen mir Dänen am Wegesrand immer wieder was zu, aber mir fehlte schlicht das Vokabular, um denen /Dänen zu folgen (Wörterbuch...).

Zum Glück war die Runde abwechslungsreich und damit sehr kurzweilig, womit die Rettungsaktion langsam realistisch wurde. Auch der Führende vom Halbmarathon – den ich ja mittlerweile als solchen identifiziert hatte – lief in relativ konstantem Abstand hinter mir. Das beruhigte mich etwas, aber meiner Intuition wollte ich heute nun nicht mehr unbedingt vertrauen.

Als mittelschweres Problem kristallisierte sich mittlerweile heraus, dass die alten A4 wohl doch nicht das Fortbewegungsmittel der Wahl auf den Abschnitten mit unglaublich scharfkantigen Schotter – die auch den Mantel des Tandems einfach aufgeschlitzt haben – zu sein schienen. Grund sind die vielen Löcher in der Sohle, in der sich kleine Steinchen sammeln und bei ausreichendem Füllungsgrad nach oben in die Fußsohle durchwandern. Das Resultat davon ist wiederum, dass es ziemlich schmerzhaft wird, wenn man auf der „falschen“ Stelle auftritt. Naja, nun hab ich also das Lochmuster des A4 an meiner Sohle...

Nun war der Versuch, beim Laufen den Bodenkontakt zu meiden, schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt. So versuchte ich auf den letzten Kilometern, wenigstens die gröbsten Passagen zu meiden und auf den grasbewachsenen Wegesrand auszuweichen. Damit kam ich dann auch relativ unbeschadet zum letzten Mal im Ziel an. Das reicht jetzt aber, oder? Ja, endlich wollten sie mich im Ziel behalten und so konnte ich zuerst einmal meine neue Steinsammlung bewundern und anschließend Wikingerdorf und -burg, nachdem ich sechs Mal daran vorbei gelaufen war.

Das war es dann also, das größte Missgeschick ging erstaunlich gut von der Bühne. Jetzt bin ich aber froh, noch eine Woche Urlaub übrig zu haben und zu hoffen, dass so etwas nicht nochmal passiert. Legendär auch Küfis Reaktion auf meine Info „Küfi, ich hab Blödsinn gemacht!“. Wie aus der Pistole geschossen kam zurück: „Du bist nen Marathon gelaufen?“ Der Mann kennt mich...

Fischi

trotz Wörterbuchverweigerung gab es Blumen...


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